Bestandsaufnahme
GZ-Bericht vom 8. Januar 2010
Der stolze Stadtteil mit dem Image-Problem
Oker wird von äußerst selbstbewussten Bürgern bewohnt und ist geprägt durch seine lange Vergangenheit als Industrie-Standort
Von Frank Heine
Das selbstbewusste „Mir san mir", das die Bayern in Deutschland und der Welt nicht nur beim Fußball so offensiv vor sich hertragen, ist im Goslarer Mikrokosmos ohne Zweifel entlang der Oker angesiedelt. Wer am Fuße von Adenberg, Hahnenberg, Weinbergskopf und Sudmerberg wohnt, empfindet sich in der Regel ausgesprochen stark als „Okeraner".
Dieses Ergebnis, das die lokale Arbeitsgruppe in ihrem Oker-Bericht festhält, verwundert kaum. Auch die GZ schreibt der Bevölkerung im Industrieort mitunter einen eigenen Charakter zu, was durchaus nicht negativ zu interpretieren ist.
Stichworte sind eine verbesserte Luftqualität, Haldensanierung und die Altlastenbeseitigung. Allerdings sieht die Arbeitsgruppe die Entwicklung der sozialen Struktur als kritisch an.
Das Bildungsbürgertum und die Jugend wandern ab, der Anteil der einkommensschwachen Bevölkerung steigt, ein hoher Prozentsatz der Okeraner weist einen Migrationshintergrund auf.
Ob es nun am gefühlt mächtigen Einfluss einzelner politischer Vertreter im Goslarer Rat liegt oder der stolzen Vergangenheit als Industrie-Standort, wo viel Geld umgesetzt und verdient wurde, zu danken ist - Oker ist eben Oker. 1527 als Hüttenort zur Verarbeitung der Erze aus dem Rammeisberg gegründet, war Oker den Goslarer immer nah, aber doch so eigenständig. Der Ort entwickelte sich am Fuße des Adenbergs und entlang des Okertals in Richtung Süden zur Stadt - und zwar derart, dass der namensgebende Fluss Oker den Ort durchfließt, aber doch kaum zu erleben ist.
Festzuhalten ist jedenfalls, dass seit 1980 eine positive Entwicklung bei der Umwelt eingesetzt hat.
Positive Projekte der vergangenen Jahre gehen in der Außenwirkung zum Teil unter. Die öffentliche Hand - siehe Aspekt politischer Einfluss im Rat - gibt in Oker mehr aus als die Privatwirtschaft.
Die sehr gute Anbindung für Gewerbeflächen und die lange Tradition als Industrie-Standort täuschen nicht über unklare Marktchancen hinweg. Zwischen Recylex und Grillo liegt viel Potenzial, aber auch viel Erde, deren Belastungsgrad gelinde gesagt unklar ist. Bestes Beispiel: Die Lage im Dreieck zwischen Vienenburg, Goslar und Bad Harzburg erfordert eine kommunale Zusammenarbeit, die auch nach Jahren so kalt ist wie der Name des Feldes, das als Standort ausgebaut werden könnte.
Starkes Vereinsleben
Wie sehen sich die Okeraner selbst? Sie beanspruchen für sich wie schon erwähnt einen engen Stadtteil-Zusammenhang, ein starkes Vereinsleben, eine ausgeprägte Familienfreundlichkeit und ein umfangreiches Sport- und Freizeitangebot. Sie beurteilen ihre Nahversorgung mit Lebensmitteln als gut, sehen aber allgemein eher weniger gute Einkaufsmöglichkeiten. Sie schätzen die wohnliche Nähe zur Arbeit, wissen aber auch, dass hochwertiges Wohnen nicht gerade mit dem Namen Oker verbunden wird - ein Image-Problem für den Stadtteil.
Eng mit der eigenen Vergangenheit verbunden ist die Umweltbelastung, die von außen als hoch und von innen als normal oder vielleicht gottgegeben empfunden wird - die Wahrnehmung geht dort stark auseinander.
(Un-)schöne Ecken
Wo ist Oker als Wohnort am attraktivsten? Der Hahnenberg und der Adenberg werden genannt, aber auch die Mehrfamilienhäuser hinter der Pauluskirche. Die Wolfenbütteler Straße muss als Gegenbeispiel herhalten - wen wundert es nach den Zuständen, die die GZ in den vergangenen Jahren für einzelne Häuser der Wolfenbütteler Wohnungsbaugesellschaft publik gemacht hatte?
Unter der Rubrik Vision findet sich eine Verbindung zum Bergbaumuseum Rammeisberg: Förderung und Verarbeitung der Erze sollen in der musealen Darstellung vereint, Verbindungswege über den Bollrich (Glenebeeker Stollen) genutzt werden. Problem: Ein Großinvestor muss her. Nicht unter Vision, sondern unter Straßenraumgestaltung sind die mittlerweile berühmt-berüchtigten Oker-Pavillons verbucht. Mit deren Abriss soll eine Aufwertung der Talstraße und die Gestaltung der Oker-Promenade in Angriff genommen werden. Das Thema wurde aber just in der Dezember- Ratssitzung von der Politik nochmals verschoben, weil das Verwaltungshandeln im Rathaus - vorsichtig formuliert - etliche (Nach-) Fragen offen ließ.
Bescheidenes Ziel
Bei der Kleinkinder-Betreuung weist Oker ansprechende Zahlen auf, der Bedarf an weiteren Kinder-garten-Plätzen ist vorhanden, während für die beiden Grundschulen ein moderater Schülerzahlen-Rückgang prognostiziert wird und im Sommer eine Integrierte Gesamtschule im Schulzentrum Bei der Eiche starten soll. Ein Pferdehof, drei Sporthallen, ein Freibad, ein Tennisplatz, das Harz-Metali-Stadion - sportlich ist der Stadtteil ebenso gut aufgestellt wie bei sozialen Einrichtungen wie Bürgertreff Unteroker, Kleiner Tisch Oker und Jugendzentrum „Gleis 95".
Die Zukunft der Bürgerbegegnungsstätte scheint derzeit aber ungewiss. Da mag die knappe Notiz zur Frage „Was fehlt in Ihrem Stadtteil?" kaum verwundern. Dort steht als Ziel: „Sicherung der Bestände."